Verschlungen und eigenartig sind die Wege, die zu den heutigen Kurzhaarkaninchen führten.
Es sind Zufälle, Intrigen, Anmaßungen und zielstrebige Züchterarbeit, die uns diese Perlen der Zucht bescherten.
Die weltweite Verbindung dieses seinerzeit neuen Kaninchen- bzw. Behaarungstyps konnte nur gelingen,
da einige wenige Züchter unbeirrt an alle möglichen Vorteile glaubten,
die diese neue Zuchtrichtung bescheren sollte.
Ihnen verdanken wir also unsere heutigen Rexkaninchen.
Zu den kurzhaarigen Kaninchenschlägen, soweit dies bis heute in Betracht kommt, zählen wir das allseits bekannte Rexkaninchen,
das Deutsche Kurzhaarkaninchen und das Normannen-Kurzhaarkaninchen.
Seltsamerweise setzte sich das anfangs mit fehlenden Vitaleigenschaften ausgestattete Rexkaninchen durch,
tatsächlich ein „Witz der Rassengeschichte“, wobei - wen wundert es? - natürlich auch Intrigen eine Rolle spielen.
Die weitere Entwicklung hat dazu geführt, dass wir vom Rexkaninchen inzwischen eine ganze Farbpalette besitzen.
Wobei noch die sich aller Voraussicht nach, weiter entwickelnde Zucht der possierlichen Zwergrexe, neue Farben hinzukommen werden.
Die Sache selbst fand ihren Ursprung im alten „Kaninchenland“ Frankreich.
Denn dort war beim Kätner Desire Caillon im Ort Pringe-Louche (Sarthe) bei einem Wurf einer grauen Häsin ein Jungtier mit weicher und sehr kurzer Behaarung gefallen.
Als diese Häsin später an einen Kreuzungsrammler gestellt wurde, fiel nochmals ein kurzhaariges Jungtier.
In Verpaarung – die beiden Jungtiere waren tatsächlich ein Paar – brachten sie kurzhaarige Würfe.
Auf diese Weise gelangte der Kleinbauer an seine ersten Kurzhaarkaninchen.
Es ist anzunehmen, dass diese merkwürdige „Zucht“ untergegangen wäre.
Aber da kam der Sohn der Bauersleute zu Besuch. Dieser war Knecht beim Ortspfarrer im 14 Kilometer entfernten Coulonge.
Bei seiner Rückkehr erzählte der Bursche im Pfarrhaus die Geschichte dem Abbe Gillet.
Und dieser, ein kundiger Mann, erkannte sofort die außerordentliche Besonderheit und macht sich auf nach Pringe-Louche.
Hier überredete er den Bauern, ihm die Kurzhaarkaninchen zu überlassen.
In der weiteren Folge gelangten sie ins züchterische Rampenlicht und wurden „Berühmtheiten“.
Man kann dem Geistlichen nun nachreden, was man will. Ohne ihn wäre vermutlich diese eigenartige „Neuzüchtung“ für immer verschwunden.
Denn Caillon wäre wohl kaum der Mann gewesen, um diese ganze Sache weltweit bekannt zu machen.
Insofern sollten wir die zumindest eigenartigen Umstände etwas milder beurteilen.
Zunächst bekamen die Tiere den schönen Namen „Rexkaninchen“(=Königskaninchen).
Wenn man bedenkt, mit welchen Fehlern sie damals behaftet waren, kann man über diese Verwegenheit eigentlich nur staunen.
Denn der neue Type zeigt erhebliche Vitalschwächen.
Und man kann sich ausmalen, wie es heute einem unserer Züchter erginge, wenn er eine solche „Neuzüchtung“ unseren Ausschüssen vorstellte!
Aber der Geschichte wurde noch eins daraufgesetzt. Die edlen Putzträgern waren langsam beinahe ausgerottet.
Sibirien und Nordamerika konnten nichts mehr an Pelzen liefern.
Selbst die berüchtigte Hudsonbay-Company konnte mit hohen Preisen die Indianer nicht zu höheren Ablieferungen motivieren.
Die Fellträger waren über jagt worden, es gab nichts mehr.
Das kostbare Biberfell war nicht mehr zu bekommen.
Und so verfiel man darauf, die neue Rasse „Castor-Rex“(=Biber-König) zu nennen.
Und unter diesem wunderbaren Namen stellte Abbe Gillet die Kaninchen in Paris aus. – Eine Sensation!
Doch die Sache nahm kuriose Züge an.
Denn nun dämmerte auch jeden Züchter aus den abgelegenen Gebieten, dass mit den Rexfell tatsächlich der große Wurf gelungen war.
Man konnte das Fell der edlen Pelztiere aus der Wildbahn anscheinend auf dem Kaninchenrücken mit Gras und Krautfutter nachwachsen lassen!
Kein Wunder dass es zum sogenannten „Rexrummel“ in der Fachwelt kam.
Man opferte eine Kuh, um an ein verkreuztes, unfähiges Rexkaninchen zu gelangen!
Die Gier nach Reichtum kannte keine Grenzen, Goldgräberstimmung bei den Kaninchenzüchtern.
Es kam nur darauf an, möglichst rasch ein Stück von der Torte abzubekommen, ehe andere Schlaumeier sich bedienten.
Zahllose Kaninchenvermehrer, die schon immer auf ihre Chance gewartet hatten,
vermehrten die vermeidliche wertvollen Tiere, bis nun diese „Zuchten“ tatsachlich zusammenbrachen.
Die neue Rasse kam alsbald zum Erliegen, und es sah ganz so aus, als wäre sie für immer verloren.
Aber in Wirklichkeit kam es noch viel schlimmer, denn die Kaninchenfelle konnten in keiner Weise die wertvollen Wildtierpelze ersetzen.
1931 beschrieb Albert Will die Schwierigkeiten in seinem Werk „Kaninchenzucht“ und nannte zunächst die drei eingangs aufgezählten Kurzhaartypen:
“Zu den begehrtesten und damit auch verbreiteten Imitationen eignen sich nur dichtwollige Felle, die mit komplizierten Maschinen entgrannt und
weiterhin gefärbt werden müssen.
Das dieses Heraus rupfen der Grannenhaare und der chemische Färbeprozess die Haltbarkeit des Kaninchenfelles nicht erhöht, dürfte einzusehen sein, und
dass die notwendige Veredelungsarbeit Zeit und Geld kostet, braucht wohl nicht erst bewiesen zu werden.
Es nimmt deshalb nicht wunder, dass verschiedene Züchter versuchten, ein Kurzhaar-Kaninchen zu erzüchten, dessen Fell ungeschoren und ungefärbt,
also in natürlichem Zustande, Verwendung finden konnte.
Versuche auf dem Boden weitestgehender Inzucht ließen wohl Individuen erstehen, die in der Kruppengegend eine auffällige Grannenarmut und Kürze der Unterwolle zeigten,
weitere Experimente überzeugten jedoch, dass es unmöglich ist, durch reine Selektion diese in Frage stehende Grannenarmut auf den Gesamtkörper zu übertragen,
also ein grannenarmes Kaninchen zu erzüchten. In den ersten Jahren seiner Zucht wollte das Kurzhaarkaninchen die natürliche Seal-Imitation abgeben, und
darum legte man ausschließlich Wert auf ein kurzes, grannenarmes bzw. grannenloses seidig weiches Fell.
Heute gilt das Kurzhaarfell keineswegs als irgendeine Imitation, sondern es soll ein absolut neues, in keiner Beziehung zu irgendeiner Imitation stehendes Fell in besonderer Struktur darstellen, das in natürlichem Zustande Verwendung finden kann.
Die neue Zuchtrichtung hat das frühere Zuchtziel radikal umgestaltet, in den sie das seidenweiche Fell, in welchem die Grannen keineswegs unterdrückt, sondern zu ausgeprägter Entwicklung gebracht werde sollen, propagiert.“
Die Wirklichkeit sah aber etwas anders aus.
Denn wie schon erwähnt, traten beim Rexkaninchen gewisse Vitalitätsschwächen auf, die offenbar an das Kurzfell gekoppelt waren.
Was die Rassenzucht mit den völlig unsinnigen Erwartungen auslöste, kann man sich unschwer vorstellen.
Rachitische Tiere, solche mit verkrüppelten Vordergliedmaßen, andere mit Steilrücken und schiefen Blumen traten auf.
Es gab Tiere mit Fruchtbarkeitsproblemen und allen möglichen anderen Schwächen.
All das wurde geflissentlich übersehen, Hauptsache das Plüschfell war vorhanden.
Selbstverständlich wurden Einkreuzungen mit Normalhaartieren versucht, nur ging alles viel zu schnell und zu hastig vor sich.
Denn es winkte ja unendlicher Reichtum bei der Modebranche, die danach dürstete, die „richtigen“ Felle zu bekommen.
Konnte man erst die „Rexpelze“ anliefern, dann hatte man ja ausgesorgt!
Und dieser vermeintliche Reichtum half nicht gerade mit, der Rasse die nötige Stabilität zu verleihen.
Dabei hätte es unbedingt der verständnisvollen, kenntnisreichen und ruhigen Zucht bedurft,
um die Vitalitätsschwächen überwinden zu können.
Es gab aber auch ganz wenige einsichtsvolle Züchter, die diesen Unfug nicht mitmachen.
Es kamen da zum Beispiel Tiere zu Prof. Kohler ins Elsass.
Hier entstand dann stabile Rexzuchten und tatsächlich auch neue Farbschläge.
Es wurden planmäßige Einkreuzungen mit Normalhaarkaninchen vorgenommen, so dass die Lebenskraft gestärkt und Missbildungen ausgemerzt werden konnten.
Jeder wird einsehen, dass so etwas nicht in Eile zu machen war, sondern neben dem züchterischen Fachverstand auch Zeit braucht.
Von Straßburg aus kamen diese Kurzhaarkaninchen dann weiter ins östliche Deutschland und
bildeten eigentlich die Basis jener Zuchten,
die wir heute pflegen.
Aus dem anfänglichen schwächlichen Typ wurde das begehrte Rassekaninchen.
Ohne diese Einwirkungen wäre der neue Rassentyp womöglich verschwunden.
Es mutet in der Tat eigenartig an, dass ausgerechtet Abbe Gillet einige Tiere an Prof. Kohler abgab.
Kohler besaß erheblichen Einfluss, da er Vorsitzender der elsass-lothringischen Kleintierverbände im deutschen Reich war.
Wenn man so will, rettete Gillet wahrhaftig unsere Rexkaninchen.
Inzwischen um 1929 hatte auch Prof. Hans Nachtsheim herausgefunden, dass ein ganzer Komplex von Merkmalen dafür verantwortlich war,
dass die Rexkaninchen die leidigen Vitalitätsschwächen besaßen.
Sie waren in der Tat erblich an das kurzhaarige Fell angeschlossen.
Genau dies bewirkt, dass die Tiere eigentlich in einem eher jämmerlichen Gesundheitszustand waren.
Man kann heute im Rückblick unsere früheren Züchter nur bewundern, da es ihnen gelang, einen lebensfähigen Rextyp zu schaffen,
der heute weltweite Bedeutung besitzt.
Bis 1929 kannte man übrigens schon weiße, schwarze, gelbe, rote, blaue, havannafarbige und chinchillafarbige Rexe.
Aber in diesem Jahr kamen in Lübeck bei einem Züchter die „Wollrexe“ auf, die man später Deutsch-Kurzhaar nannte.
Diese neue Typen besaßen ein mehr gewelltes Fellhaar, waren aber im Gegensatz zu den Rexkaninchen nicht vitalschwach.
So ist im Grunde genommen der ganze Aufwand bei den Rexkaninchen umsonst gewesen.
Denn hier gab es von Anfang an lebensstarke Tiere. Aber sie kamen nicht mehr gegen die neuen Rexkaninchen an!
Und das, obwohl sie eine persianerartige Kräuselung der kurzen Behaarung besaßen.
Daher hatten sie auch den ersten Namen „Wollrexe“ bekommen.
Dann kamen bei einem französischen Bauern im Departement Eure neuerliche
Kurzhaarkaninchen auf, die man „Normannen-Kurzhaar“ nannte.
Man war ja nun hellhörig geworden, aber die fellverarbeitede Industrie hatte längst erkannt,
dass das Kaninchenfell niemals einen kostbaren Pelz abgeben würde.
Dieses Normannen-Kurzhaar war ein Großrusse.
Denn man hatte versucht, ein größeres Russenfell zu bekommen.
Joppich war der Ansicht, dass dieses Fell jenem der „neuen“ Rexe sogar überlegen gewesen wäre.
Auch diese Tiere waren vital, so dass es der Umstände wie bei den Rexen ebenfalls nichts bedurft hätte.
Auch der Züchter Joseph Schwabacher aus Auerbach erlangte solche Kaninchen.
Hier wurden dann später auch normalhaarige Tiere eingekreuzt, so dass das Normannen-Kurzhaar weiterlebte.
Schwabacher beschrieb die Tiere und fasste sie als Teilalbinos auf.
Sie waren weiß und besaßen typische Russenabzeichen, Masken und farbige Ohrmuscheln, dazu farbige Blumen und Läufen.
Diese Abzeichen waren von tiefem Schwarz und farbrein, also nicht in einem schokoladenen Anflug, wie Schwabacher sie beschrieb.
Die Wolle war überaus dicht und mit vielen Grannen durchsetzt, die zwei bis vier Millimeter überstanden.
Auf diese Weise kam es „derbgriffigen“ Fell, wie man es damals nannte.
Doch schlussendlich kam das Normannen-Kurzhaar auch nicht mehr gegen die Rexkaninchen an.
Der Traum vom schnellen Geld erfüllte sich bei den Rexkaninchen ebenso wenig wie bei anderen Rassen,
die aus ähnlichen Gründen erzüchtet wurden.
Geblieben ist uns jedoch ein Kaninchentype, der eine neue Ära in der Zuchtgeschichte einleitete,
heute weltbekannt ist und unzähligen Menschen züchterische Freude vermittelt.
Dass das heutige Rexfell noch immer seinen wirtschaftlichen Wert hat, soll nur nebenbei erwähnt werden.
Im Grunde ist anzumerken, dass mit der Initialzündung eines völlig veränderten Kaninchenfells eine andersartige „Kaninchenkulturen“ entstand.
Das aber ist nicht zuletzt das Verdienst des Abbe Gillet, denn er erfand die zugkräftigen Namen für den neuen Kaninchenschlag,
und er war schlussendlich verständnisvoll genug, einige Tiere an Prof. Kohler abzugeben, der den nötigen Einfluss und die Bindung besaß,
um diese Tiere wieder lebensfähig zu machen und sie zu erhalten.
Nicht vergessen darf man dabei jene Züchter, die im Stillen wirkten und uns ohne Aufsehen vitalitätsstarke Rexkaninchen hinterließen.
Sie waren Züchter, die sich vom „Rexrummel“ nicht anstecken ließen, aber dennoch Freude an der Zucht und Verantwortungsbewusstsein hatten.
Längst sind sie vergessen, ihre Namen sind uns leider nicht mehr bekannt.
Quelle: Der Kleintierzüchter Ausgabe vom 11.Sep.2009
Autor: Ulrich Reber